„Du musst alles mit Leidenschaft machen, nur dann wird es gut.“ Mit diesem Satz bringt Hermann Merz auf den Punkt, was sein Handeln bestimmt. Sei es der Umgang mit seinen Mitarbeitern, Kunden oder auch bei technologischen Investitionen: Der Schreinermeister lebt und brennt für das, was er tut – und stellt den Menschen dabei stets in den Mittelpunkt.
Ich bin bei meinem Vor-Ort-Termin bei der Schreinerei Merz im bayerischen Aichach ein paar Minuten zu früh. Aber schließlich geht man mit der Zeit anderer Menschen respektvoll um und lässt sie nicht warten. Während ich kurz auf den Chef warte, geleitet mich eine Mitarbeiterin zunächst durch eine bemerkenswert große Ausstellung, bevor es eine spektakuläre Treppe im Holz-Glas-Mix hinauf ins „Penthouse“ geht. Dort angekommen, nehme ich Platz – und blicke auf eine riesige Ausstellungsküche. Ausgestattet ist sie mit allem Schnickschnack, den man sich nur vorstellen kann. Wow! Grifflose Fronten, so weit das Auge reicht. Und während ich mir noch denke, dass die sicher alle per Fingertipp elektrisch öffnen (was sie selbstverständlich tun), kommt auch schon Hermann Merz.
Ich wusste aus Vorgesprächen, dass der Schreinermeister letztes Jahr in seinem Unternehmen unheimlich viel bewegt hat – was ja schließlich auch der Grund für meinen Besuch ist. Entsprechend habe ich einen eher gestressten Menschen erwartet, dessen Smartphone sicher alle paar Minuten bimmeln und dessen Blick oft in Richtung Uhr wandern würde. Doch weit gefehlt. Mit freundlichem Lächeln und festem Händedruck heißt er mich herzlich willkommen und wir kommen ins Gespräch. Dabei spielt der eigentliche Grund für meinen Werkstattbesuch – hochmoderne Fertigungstechnologie – zunächst eine untergeordnete Rolle.
Hermann Merz erzählt mir, in welche Richtung sich seiner Meinung nach das Kundenverhalten und die Schreinerbranche entwickeln werden – und wie er seinen Betrieb vor diesem Hintergrund zukunftsfähig aufstellen will.
Merz teilt potenzielle Kunden in zwei Lager ein. Entweder sind sie preisgetrieben und suchen einfach nur etwas sehr Günstiges. „Das ist nicht unsere Zielgruppe.“ Oder aber es soll etwas Besonderes und Einzigartiges sein. Hier ist der Schreinermeister in seinem Element – und sicher: „Kunden verschaffen sich zunehmend online einen Überblick. Dann aber wollen sie „echt“ sehen, anfassen, ausprobieren. Wer keine Ausstellung hat, wird meiner Meinung nach langfristig verlieren.“ Deshalb hat er im vergangenen Jahr seine Ausstellung auf satte 1500 m² vergrößert und präsentiert dort alles, was sein Unternehmen bietet: hochwertige Möbel und Innenausbauten, Küchen, Badezimmereinrichtungen, Arbeitswelten, Treppen oder Haustüren aus eigener Produktion. Hinzu kommen Bereiche, in denen er mit namhaften Zulieferern zusammenarbeitet, z. B. Fenster, Wintergärten, Sonnen- und Einbruchschutz, Hebe-Schiebe-Türen. Und auf der neuen, 600 m² großen Dachterrasse präsentiert er in einer lebendigen Outdoorausstellung rund 50 verschiedene Terrassenbeläge.
Dem Schreinerei-Team gehören 24 Mitarbeiter an, darunter sechs Azubis und drei Schreinermeister. Merz: „Jede Kollegin und jeder Kollege trägt ihren/seinen persönlichen und wichtigen Teil zum Erfolg bei und ist unverzichtbar. Das ist wie in einem Fußballteam – und gilt für alle Positionen vom Meister bis hin zur Reinigungskraft. Nur miteinander sind wir gut.“
Und weil das so ist, setzen Hermann Merz und seine Ehefrau Monika alles daran, ihren Mitarbeitern in Werkstatt und Büro ein optimales, modernes Arbeitsumfeld zu bieten und ein attraktiver Arbeitgeber zu sein: „Einerseits ist es sehr schwierig, gute Mitarbeiter zu gewinnen, andererseits wollen wir dafür sorgen, dass uns auch ältere Kollegen lange und gesund mit ihrem unschätzbaren Know-how erhalten bleiben. Und Ausbildung wird bei uns natürlich ganz großgeschrieben.“
Im vergangenen Jahr wurde neben einer erheblichen Erweiterung der Gebäude auch die Fertigung komplett neu aufgestellt. Ziele sind Durchgängigkeit und automatisierte Abläufe von der Planung bis zur Fertigung. Hermann Merz betont in diesem Zusammenhang: „Wir investieren in Maschinen und Software, um mit der gleichen Anzahl an Mitarbeitern zu wachsen und wollen für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet sein.“ Apropos Zukunft: Hier spielt Sohn Matthias (25) eine zentrale Rolle. Er verkörpert die vierte Generation des Familienunternehmens und hat auch bereits maßgeblich beim Wechsel auf die neuen Technologien mitgewirkt.
Seit vielen Jahren setzt Hermann Merz auf die vertrauensvolle Partnerschaft mit dem Nattheimer Maschinenhandelshaus Grupp – so auch bei der Konzeptionierung und Umsetzung der jüngsten Technologie-Investitionen.
Herzstück der neuen Produktion ist der „Schreinertraum“ – ein CNC-Bearbeitungszentrum vom Typ Morbidelli N100 von SCM mit einem Bearbeitungsfeld von 4,3 x 2,1 m. Besonderheit: Die Möbelteile werden inklusive sämtlicher horizontalen Bohrungen in nur einer Aufspannung fix und fertig genestet und bearbeitet. Voraussetzung dafür ist das horizontale Bohren in eine Gesamtplatte, nachdem zuvor für diesen Arbeitsgang Taschen ausgefräst wurden. Dieses Verfahren ist patentiert und ermöglicht die komplette Fertigung von Korpusteilen – bis auf das Bekanten – in nur einem Arbeitsschritt. Das Winkelaggregat für das horizontale Bohren ist so schlank, dass 8-mm-Bohrungen mittig in 16-mm-Platten erfolgen können.
Auch hier hat Merz investiert: Die neue SCM-Kantenanleimmaschine vom Typ Stefani KD verfügt über eine automatische Rückführung und Abstapelung und ist mit Schmelzklebe- und auch Heißlufttechnologie für Laserkanten ausgestattet.
Totale Freiheit und Flexibilität für beliebige Massivholz- und Plattenbearbeitungen (z. B. Haustüren oder Treppen) bietet der Schreinerei zudem das ebenfalls neue 5-Achs-CNC-Bearbeitungszentrum Morbidelli M200.
Durchgängigkeit ist auch das Thema bei der Maestro-Bedienoberfläche und den Softwarelösungen von SCM, die durch die offene Schnittstelle MSL (Maestro Scripting Language) eine problemlose Anbindung an alle gängigen Branchenlösungen sowie die Einbindung in Beschickungs- und Lagerlösungen im Sinne einer Werkstatt 4.0 bieten.
Ihren Kunden bietet die Schreinerei sogar die Möglichkeit, mit der „TrunApp“ zuhause mit dem Tablet einfach und intuitiv selber zu planen und eigene Möbelideen zu entwickeln. Im kommenden Jahr feiert die Schreinerei ihr 110-jähriges Bestehen. Hermann Merz: „Bis dahin wird nochmals einiges passiert sein. Auch wenn wir bereits sehr viel geschafft und bewegt haben, haben wir schon noch jede Menge vor. Es bleibt also spannend.“
BM-Chefredakteur Christian Närdemann
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